Was im Gehirn passiert, wenn wir über Geld oder Nahrung entscheiden
Menschen treffen täglich Entscheidungen – von der Wahl des morgendlichen Outfits bis hin zum abendlichen Fernsehprogramm. Doch wie unterscheiden sich Entscheidungen, wenn es um lebenswichtige Nahrungsmittel im Vergleich zu Geld geht? Dieser Frage ist ein neurowissenschaftliches Forschungsteam der Ruhr-Universität Bochum nachgegangen.
Unter der Leitung von Prof. Dr. Burkhard Pleger vom Berufsgenossenschaftlichen Universitätsklinikum Bergmannsheil untersuchte es, welche Mechanismen der menschlichen Entscheidungsfindung bei sogenannten primären Belohnungen wie Nahrungsmitteln im Gegensatz zu sekundären Belohnungen wie Geld zugrunde liegen. Zudem analysierten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, in welchen Hirnarealen sich die verschiedenen Mechanismen verorten lassen. Die Ergebnisse der Studie wurden am 3. April 2024 in der Fachzeitschrift eNeuro veröffentlicht.
Entscheiden sich Menschen für Pommes und Erdbeerkuchen anders als für Geld? Genau das haben Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Ruhr-Universität Bochum untersucht. Sie präsentierten 28 Probandinnen und Probanden je nach Vorliebe Pommes oder Schnitzel, Erdbeerkuchen oder Schokoriegel sowie Geld und ließen die Versuchspersonen wählen, ob sie eine bestimmte Menge des Angebots sofort oder eine größere Menge zu einem späteren Zeitpunkt erhalten wollten. Im Versuch wurden Wartezeiten von zwei Tagen, zwei Wochen, einem, drei und sechs Monaten sowie einem Jahr vorgeschlagen. Je länger sich die Versuchspersonen entschlossen zu warten, desto größer fiel die Belohnung in Form einer erhöhten Geld- oder Nahrungsmittelmenge aus.
Während der gesamten Untersuchung lagen die Probandinnen und Probanden in einem Kernspintomografen, der die Hirnaktivität aufzeichnete.
Wertbeständigkeit von Geld und Haltbarkeit von Nahrung beeinflussen die Wahl
„Wir konnten zeigen, dass Entscheidungen für Essen impulsiver getroffen werden. Mit anderen Worten wird die sofort verfügbare Nahrung öfter gewählt als eine später verfügbare größere Menge derselben Nahrung“, erläutert Erstautor Marius Markmann. „Bei Geld ist das anders. Hier wartet man lieber auf den höheren Geldbetrag. Das liegt daran, dass Geld länger wertbeständig ist, während der Wert von Nahrung an die Haltbarkeit der Nahrung gekoppelt ist.“
Die beobachteten Unterschiede spiegelten sich ebenfalls in der Hirnaktivität während der Entscheidungsfindung wider. „Das menschliche Gehirn scheint bei der Wahl von Geldbeträgen eher Regionen zu involvieren, die für die Überwachung von Handlungen zuständig sind. Bei Lebensmitteln hingegen werden Hirnregionen aktiv, die für Entscheidungen im sozialen Umfeld wichtig sind,“ beschreibt Pleger, der als Principal Investigator am Research Department of Neuroscience an der Ruhr-Universität forscht. „Bei den Hirnnetzwerken waren die Unterschiede allerdings geringer als von uns erwartet. Das spricht dafür, dass Entscheidungen über Essen und Geld ähnliche Verarbeitungswege im menschlichen Gehirn nehmen.“
Entscheidungsprozesse im Zusammenhang mit Suchtverhalten
Viele Studien konnten bereits zeigen, dass das menschliche Gehirn auf sogenannte primäre Verstärker wie Nahrung anders reagiert als auf sekundäre Verstärker wie Geld. Wie sich dies im Verhalten des Menschen widerspiegelt, war bisher weniger gut erforscht. „Wir haben den Hebel bei der Impulsivität gefunden: Primäre Belohnungen wie Essen führen zu impulsiveren Entscheidungen“, so Markmann, der als Doktorand in der neurologischen Forschung des Universitätsklinikums Bergmannsheil arbeitet. „Unser Ergebnis passt sich in die Erkenntnisse anderer Studien ein. Impulsive Personen zeigten dabei eine schwächere Selbstkontrolle und wiesen eine höhere Kalorienaufnahme sowie eine höhere Essfrequenz auf. Zudem neigten sie eher zu Internet-, Social-Media-, Smartphone-, Spiel- und Glücksspielsucht.“
Die Forschenden aus Bochum sehen in diesem Zusammenhang auch direkt die nächste interessante Forschungsfrage im Bereich der menschlichen Entscheidungsfindung. „Bei Menschen mit Suchtverhalten ist die Selbstkontrolle über primäre Belohnungen ein kritischer Punkt“, sagt Pleger. „Wenn wir aufdecken könnten, welche spezifischen Entscheidungsprozesse bei Suchtverhalten eine Rolle spielen, könnte dies zu neuen verhaltenstherapeutischen Ansätzen führen.“